
Menschen, die ein Doppelleben führen, haben etwas Faszinierendes an sich. Ihnen gelingt eine äußerst schwierige Gratwanderung: Sie vereinen eine gut funktionierende Fassade mit einem zweiten Leben, dass wie ein herausgefallenen Puzzleteil nicht so recht zum Rest passen will, die Angst davor, dass dieses Geheimnis aufgedeckt wird, schlägt auf Dauer auf die Gesundheit.
Doppelexistenz entsteht oft ohne böse Absicht, sondern aus einem außer Kontrolle geratenen Geheimnis.
Den Makel im eigenen Leben ausradieren.
Ein Geheimnis soll oft einen unschönen kleinen oder großen Makel im eigenen Leben ausradieren – unsichtbar machen und ungeschehen. Wenn wir unsere Geheimnisse kontrollieren können und sicherstellen, dass sie nur das tun, was wir von ihnen wollen, dann kann das Leben mit ihnen tatsächlich einfacher werden. Aber wenn unsere Geheimnisse aus der Bahn laufen und anfangen, uns zu kontrollieren, dann wird aus dem normalen Leben irgendwann ein geheimes zweites Leben.
Wir fangen an eine geheimen Leben, - eine Lüge zu leben. Dabei sind Geheimnisse Teil eines jedes Lebens. Sie können helfen, widersprüchliche Aspekte der Persönlichkeit nicht ganz verleugnen zu müssen. Denn häufig drehen sich Geheimnisse um etwas, das gesellschaftlich nicht toleriert werden würde. Menschen haben viele Geheimnisse – vor sich selbst und vor anderen.
Und sie zwingen uns dazu, vorsichtig zu sein.
Geheimnisse entwickeln eigene Dynamik
Diese Vorsicht ist es, die ein Geheimnis oft zu einem gefährlichen Sog macht, aus dem es später kein Entkommen mehr gibt.
Geheimnisse sind wichtig dafür, eine eigene Individualität zu entwickeln und ein Gefühl dafür, selbst kontrollieren zu können, was man von sich preisgibt und was nicht.
Allerdings sind Geheimnisse auch gleichzeitig immer problematisch. Denn sie suggerieren, dass ein Teil der eigenen Person sozial unerwünscht ist.
Je nachdem, wie unangenehm die Lüftung des schönen Scheins wäre, wird dann viel Zeit und Mühe investiert, um das Geheimnis zu schützen.
Und je mehr es zu verlieren gibt, desto größer ist der Wert des Geheimnisses. Dann sind Kreativität und Organisationstalent gefragt, um den Überblick zu behalten, darüber, wem man wann welche Version der Wahrheit aufgetischt hat.
Es ist sehr anstrengend, Gedanken an das geheime Leben im Alltag weitgehend zu unterdrücken, es aber trotzdem ständig präsent im Kopf zu haben – und man zahlt einen Preis dafür. Psychologen nennen das den:
"Thought rebound-Effekt"
Zwar kann man demnach eine Zeit lang Gedanken und Gefühle an ein Geheimnis unterdrücken, doch sobald die angespannte Situation überstanden ist, kommt alles mit noch größerer Wucht zurück. Das kann schnell zu einem Kreislauf aus angestrengter Unterdrückung des Geheimnisses und immer unwillkürlicherem Auftauchen der zugehörenden Gedanken führen.
Alles dreht sich um die Aufrechterhaltung der Scheinwelt
Bald nimmt dann das Geheimnis einen so zentralen Platz im Kopf ein, dass sich alles nur noch um die Aufrechterhaltung der Scheinwelt dreht. Eine Lüge kommt zur nächsten, und mit zunehmender Dauer fällt es immer schwerer, das zweite Leben vor den anderen zu verbergen.
Geheimnisse zu verstecken kann so viel Zeit, Wachsamkeit und Aufmerksamkeit fordern, dass sie beginnen, das ganze Leben zu dominieren, oder zum eigentlichen Leben der Person werden.
Doch es ist nicht nur anstrengend, sondern auch nicht ungefährlich, so unter Hochspannung zu stehen, den auf Dauer kann und wird es auch gesundheitliche Konsequenzen haben.
Menschen sind von Scham und Schuld getrieben
Die meisten Geheimnisse drehen sich übrigens um Sex.
Dabei rangieren Themen rund um ungewöhnliche Sexpraktiken ganz oben auf der Liste der Doppelleben, direkt gefolgt von geheimen Liebschaften.
Doch auch andere Themen finden sich dort häufig, Drogenabhängigkeit etwa oder unkontrollierbare kriminelle Neigungen. Oft sind Scham- und Schuldgefühle dafür verantwortlich, dass sich jemand ab einem bestimmten Punkt entscheidet, ein geheimes Leben zu führen.
Und ganz egal, woher es kommt – wenn es erst einmal da ist, das geheime Leben, wird man es nur schwer wieder los. Oft kommt zur inneren Anspannung die Angst vor den Konsequenzen, Sorge, wie sehr es nahe stehende Menschen verletzen würde oder den Arbeitgeber schockieren, alles über das Lügengebäude zu erfahren.
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Elke Rinderhagen (Freitag, 25 Mai 2018 10:00)
Damit hast du leider recht.